JAHRELANGE RECHERCHE, TAUSENDE KILOMETER UM DEN GLOBUS. NUR FÜR EINES: FUSSBÄLLE

Die Weltmeisterschaftsbälle

„Die Energie, die in so einen Ball hineingepumpt, hineingehauen wurde – alles ist ihm eingeimpft, du kannst es wie in einem Brennglas erkennen.“
- Jens Heilmann

Der Fußball ist rund um den Globus das wichtigste Gesprächsthema überhaupt. Erleben Sie diese Geschichte, die Menschen seit über 100 Jahren fasziniert. WM-Final-Spielbälle, Symbole für Siege und Niederlagen auf magische Weise dargestellt und präsentiert in Augsburg. 

Jahrelange Recherche, Tausende von Kilometern rund um den Globus. Nur für eines: für Fußbälle. Erlebe die Geschichte eines leidenschaftlichen Fotografen und seiner Idee, alle WM-Spielbälle seit 1930 zu fotografieren.

Er wird geworfen, geschossen, getreten, gequetscht, angeschrien, verflucht und geküsst. Von Menschen wie Schweinsteiger, Beckham, Pelé und Ronaldo. Der Fußball. Verwunderlich eigentlich, dass nach all den Jahren von Sieg und Niederlage, große Emotionen, großen Bildern und großen Sportlern, das Spielgerät selbst noch nie seinen großen Auftritt hatte. Bis Jens Heilmann sich diesem gewidmet hat.

Dabei war von beginn an klar, dass die Suche nach den Originalbällen nicht einfach werden würde. Dennoch stellte Verbindungen zum Fußballmusem in Florenz her, besuchte das National Football Museum in Preston oder die National Soccer Hall of Fame in den USA. Auch holte er die Unterstützung von vertrauenswürdigen Sammlern wie z.B. René Sopp, dem Experten schlechthin für die Materialgeschichte des Fußballs.

Drei Jahre hatte es gedauert, alle Bälle im Original zu finden und zu fotografieren. Ergebnis ist ein einmaliges Werk, was historisch den Mittelpunkt eines Sportes dokumentiert. Denn es ist viel mehr als nur ein Spielgerät. Der Fußball ist Zeitzeuge großer Momente der Sportgeschichte. Er ist für viele Menschen jahrzehntelanger Begleiter des eigenen Lebens.

Edition 25 + 3 AP
Digital Pigment Print auf Hahnemühle Fine Art Papier – Rückseitig unterschrieben und editiert
60 x 60 cm

Edition 10 + 3 AP
Digital Pigment Print auf Hahnemühle Fine Art Papier – Rückseitig unterschrieben und editiert
100 x 100 cm

Jens Heilmann

Manchmal ist es eine simple Idee, die zu großen Ergebnissen führt. Jens Heilmann, Fotograf mit Leidenschaft seit seinem 14. Lebensjahr. Aus seiner Berufung wurde Beruf. Kein Mensch vor ihm kam auf die Idee, Spielgeräten einen solchen Glanz zu verleihen, sie mit Ästhetik und Brillanz zu versehen.

Ausstellungen (auszugsweise):

K41 Werkschau, München – Im Rausch der Dinge, Fotomuseum Winterthur – KMS TEAM, München – Galerie Wittenbrink, München – Deutsches Sport & Olympia Museum, Köln – IHK Hamburg, Hamburg

Wie die Bälle magisch wurden.
Die Entstehungsgeschichte.

Die Geschichte dieses Projekts ließe sich schildern wie die Odyssee des Dichters Homer. Sie ist zwar nicht ganz so dramatisch verlaufen, die lange Suche des Fotografen Jens Heilmann, doch auch er hat von seinen Reisen wunderbare Geschenke mit nach Hause gebracht: Bälle, die schweben – und leuchten wie Monde in tintenschwarzer Nacht. Am Anfang war eine kleine Idee: ein MEMO-Spiel zu machen, Spielkarten mit Fußbällen darauf. Jens Heilmann ist weniger Fußballfan und viel mehr Künstler. Er ist Fotograf und denkt in Serien von Bildern und in gestalterischen Konzepten. Doch was ihn plötzlich interessierte, in jenem April des Jahres 2007, bei einer Autofahrt nach München, waren Fragen wie: Hatten die Fußbälle der vergangenen Jahrzehnte eigentlich stets dasselbe Design? Unterschiedliche Farben? Wurden sie je aus einer Hand fotografiert? Er konnte sich nicht erinnern. Und wurde neugierig. Wäre denn, ging ihm durch den Kopf, eine Reihung der immergleichen grafischen Form nicht eine faszinierende Sache? Erste Recherchen nach Bällen im Internet zeigten nur miserabel Fotografiertes. Vor allem fanden sich nur wenige Informationen zu den Originalen. Ganz offenbar interessierte sich die Welt beim Fußball lediglich für Tore und Fallrückzieher, für gehaltene Elfmeter und brutale Fouls, für Siegerposen und gestrauchelte Favoriten. Pelé und Beckham, Beckenbauer und Valdano, Rossi und Puskás – sie stehen im Fokus der Fußballalben und Bildergalerien. Nur dieses formschöne Spielgerät, um das sie alle mit Leidenschaft kämpfen, das die Spieler mal liebkosen und mal zornig in den Himmel dreschen – es wird einfach ignoriert.

Es war dann reiner Zufall, wie Heilmann den ersten Ball entdeckte. Seinen Testballon. In einer Werkstatt für Gartengeräte sah er diese Kugel mit Werbeaufdruck und fragte, ob er sie mal ausleihen könne. Er bekam sie geschenkt. Heilmann experimentierte in seinem Studio. Seine Fußbälle sollten magisch wirken. Keine harten Ränder. Keine dominanten Spiegelungen, keine Schattenseite. Er wusste, die Bälle würden unterschiedlich glänzende Oberflächen haben. Und der Hintergrund? Weiß steht schlecht auf Weiß. Farbe wirkt zu aufdringlich. Also: Schwarz. Fotografisch würde er das irgendwie schaffen. Logisch, dass die erste Tour zu Adidas führte. Herzogenaurach, nicht allzu weit von München. Seit Ewigkeiten schon versorgt diese Firma die ganze Welt mit Fußbällen. Heilmann fuhr weiter nach Frankfurt am Main, zur Zentrale des Deutschen Fußball Bundes. Hier wird der Ball des Finales von 1954 in einem Tresor verwahrt. Noch ein Foto. Wie leicht alles ging. Und wie faszinierend die ersten Bilder aussahen! Heilmann sah neue Perspektiven: ein exklusives Buch, Ausstellungen. Es war Sommer 2007 und der Fotograf war voll des Glücks, er wähnte sich bereits kurz vor dem Ziel. Ein großer Irrtum, wie sich zeigen sollte. Jens Heilmann reiste nach Preston, England, um Bälle der Weltmeisterschaften 1930 und 1966 abzulichten. Er schrieb Verbände an, Firmen, Museen, immer auf der Suche nach originalen Bällen, mit denen bei Weltmeisterschaften gekickt worden war. Er schickte E-Mails rund um den Globus. Er bat um Genehmigungen, fotografieren zu dürfen, fragte nach Wegen, die ein Ball genommen haben könnte. Alles, was in der Kunst so leicht aussieht, ist Resultat mühsamer Plackerei und endloser Feinarbeit. Frag die Primaballerina, frag den Reckturner, frag den Bildhauer. Heilmann lernte vor allem: zu warten. Zu ertragen, wenn keine Antworten kamen. Nicht zu verzagen, wenn er auf falsche Fährten geschickt wurde. Es konnte Monate dauern, bis ein einziges Foto zu-stande kam. So wie im Januar 2008, als er nach Florenz fuhr, ins Museo del Calcio. Wie immer war er mit fünf Aluminiumkisten an Equipment losgezogen, Kamera, Stative, Blitzgeneratoren, Lampen, Filmkassetten… Es geht nicht ohne diese hundert Kilogramm an Gepäck. Doch danach hatte er die Bälle 1934, ’38 und ’62 auf seinen Planfilmen, 10 x 13 Zentimeter. Erst einmal folgten Rückschläge. Verlage winkten ab. Literaturagenten zuckten mit den Schultern. Firmen und Verbände hatten kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Zu teuer, zu aufwendig. Im Sommer 2009 stand das Projekt vor dem Aus. Zwei Jahre Arbeit und investiertes Geld – alles für die Katz? Man muss schon besessen sein, um da nicht aufzugeben. Jens Heilmann entschloss sich, das Projekt im Eigenverlag zu produzieren, zusammen mit seinem Freund, dem Grafiker Gunther Weis. Sie würden diese Erstbesteigung gemeinsam auch ohne finanzielle Sicherheiten schaffen. Sie sprachen Lars Reichardt an, einen Journalisten und Fußballfan. Er war begeistert und versprach, zu jedem WM-Ball einen Text zu schreiben. Wieder war ein wichtiger Schritt getan. Es wurde klar, dieses einzigartige Projekt benötigte Seriosität: Die Geschichte jedes Balls sollte einwandfrei dokumentiert werden, es dürfte sich nur um Bälle handeln, die bei Weltmeisterschaften benutzt worden waren. An der Echtheit des bei Adidas fotografierten 1950er-Balls bestanden Zweifel. Die Fifa schwieg. Ballhersteller konnten nicht helfen. Bei jeder Fußball-WM kamen ja Dutzende von Bällen zum Einsatz, inzwischen sind es 15 bei jedem Spiel; mit welchem davon wurde wirklich

gespielt und welcher davon lag bei einem Finale im Tor? Heilmann flog in die USA, reiste nach Oneonta, New York. Nach dem Besuch der National Soccer Hall war ein weiterer Ball im Kasten: der einzig verlässlich dokumentierte von 1950. Der Blick auf Jens Heilmanns Bilder ist wie ein Gang durch ein archäologisches Museum. Wie ein Ausgräber hat der Fotograf Schicht um Schicht der Historie des Fußballs freigelegt. Sichtbar wird eine Entwicklung von achtzig Jahren, von technischer Innovation, von Design. Und wer Fußball liebt, den wird jeder dieser Bälle in neue Traum-welten entführen. Die Geschichte der Menschen, so meinte Karl Marx, ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Und die Geschichte des Fußballs, so könnte man ihn ironisieren, ist mehr als eine Geschichte von Zweikämpfen. War nicht auch jedes Mal ein Ball dabei? Dieser ist ja viel mehr als Leder und Plastik. Warum sonst sollte Diego Maradona sagen: „Der Ball ist für mich Mutter und Geliebte zugleich.“ Oder man kann wie wir dem Torhüter Sepp Maier lauschen, der bei acht Weltmeisterschaften dabei war und bei vier Finals, der von Hass, Raserei und Komödien zu berichten weiß. Jens Heilmann zeigte mir in seinem Studio, wie er seine magischen Effekte erzielt. Er formt einen Zylinder aus milchiger Folie, etwa sechzig Zentimeter hoch, die untere Hälfte ist mit schwarzem Filz ausgeschlagen. Der Zylinder steht auf schwarzem Grund, darauf ein Ball. Mit der Höhe des Zylinders lassen sich die Spiegelungen regulieren. Aus vier Richtungen wird nun seitlich auf den milchigen Teil der Folie geblitzt, dies sorgt für die samtweiche Kante auf den Fotos. Und von oben fotografiert Heilmann mit einer „Linhof Master Technika“, voluminös wie ein Schuhkarton, eine Großformatkamera. Stets drei Belichtungen pro Ball, Blenden 22, 32 und 45. Die analoge Fotografie passe besser als die digitale zum Thema und dem künstlerischen Anspruch des Projekts.

Es könnte nun klingen, als käme die Sache langsam zu einem Ende. Irrtum. Sie fängt nun erst richtig an. Im Oktober 2009 hörte der Fotograf einen Namen, der entscheidend werden sollte: René Sopp. Ein anerkannter Sammler von Fußballdevotionalien, Wohnsitz Leipzig, weltweit vernetzt mit anderen Fachleuten. Aus Sopps Kollektion stammen die Bälle von 1990, 2002 und 2006. Der Sammler Roger Saur zeigte sich konziliant und schickte per Luftfracht die Bälle von 1994 und 1998 aus New York City, USA. Auf der Rückreise wären diese Kostbarkeiten um ein Haar verloren gegangen. An Weihnachten flog Heilmann zu Francisco Aquino nach Guadalajara an die Pazifikküste Mexikos und fotografierte dort einen Ball von 1970, den weltweit einzig dokumentierten. Aquino hatte diesen auf keinen Fall nach Deutschland schicken wollen, nicht einmal als Kunsttransport: Es sei sein größter Schatz. Ein Hinweis führte zu Erich Linemayr nach Linz, einem österreichischen Schiedsrichter: 1974 und 1978 konnten abgehakt werden. Das Sportmuseum Schweiz in Basel war hilfsbereit: einen weiteren von ’54, dazu ’62 und ’66. Für den 82er-Ball gab es plötzlich eine neue Spur: Vor drei Jahren war von einem deutschen Verlag ein Ball von 1930 versteigert worden, an ein Museum in Spanien. Die Weltmeisterschaft 1982 fand in Spanien statt. Könnte also dort..? Doch die Spur verlor sich, ein gespiel-ter 82er war erst einmal nicht zu finden. Einen Originalball steuerte dann Dino Maas bei, ein Sammler aus Moers; er konnte auch mit den Bällen von 1986 und 2006 helfen. In Stockholm galt es nun noch Bengt Ågren zu treffen, den letzten lebenden Zeugen, der dabei war, als der WM-Ball 1958 aus 102 verschiedenen Bällen ausgesucht wurde… Der Fotograf stieg ins Flugzeug. Nun also, im Frühsommer 2010, können Jens Heilmann und Gunther Weis schließlich sagen: Es ist vollbracht. Nach drei Jahren und einigen tausend E-Mails, nach endlosen Telefonaten zwischen allen Beteiligten und langem Tüfteln an der aufwen- digen Gestaltung und Produktion, nach zeitraubenden Recherchen für die Texte. Nach Flügen um die halbe Welt und nach Autofahrten kreuz und quer durch die Schweiz, Österreich, Italien, England, nach unzähligen Rückschlägen und nach noch mehr Unterstützung von Menschen, die sich von der Magie der Bälle hatten mitreißen lassen.

Norbert Thomma